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Zürich, 28.11.2024 – Der Konjunkturrückgang lässt den Fachkräftemangel aktuell sinken: Im Jahr 2024 gab es einen Rückgang um 18 Prozent, nachdem der Fachkräftemangel Index im Vorjahr um 24 Prozent angestiegen war. Diese rückläufige Tendenz betrifft die meisten Berufsgruppen, insbesondere die IT. Trotzdem bleibt der Bedarf an Fachkräften höher als vor der Pandemie. Dies zeigt der Fachkräftemangel Index Schweiz der Adecco Gruppe Schweiz und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich.
2024 zeichnet sich beim Fachkräftemangel eine Trendwende ab. In den letzten zwei Jahren sorgte der Aufholeffekt der Corona-Pandemie dafür, dass der Fachkräftemangel Index 2023 einen Höchststand erreichte: Im Jahr 2023 nahm der Index noch um 24 Prozent zu. Im laufenden Jahr nun verzeichnet der Index eine Abnahme um -18 Prozent und nähert sich damit dem Niveau von 2022 an.
Dieser Rückgang spiegelt sich in beiden Hauptkomponenten des Fachkräftemangel Indexes wider: Zum einen wurden in diesem Jahr 7 Prozent weniger Stellen ausgeschrieben, wie der Rückgang des Job Index zeigt. Zum anderen stieg die Arbeitslosenquote von 2 auf 2,4 Prozent an.
«Die konjunkturelle Abkühlung hat in diesem Jahr spürbare Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt. Dennoch bleibt dieser robust: Es gibt weiterhin mehr offene Stellen als vor der Pandemie, und die Arbeitslosenquote verharrt trotz eines leichten Anstiegs historisch betrachtet auf einem niedrigen Niveau. Damit bleibt der Fachkräftemangel ein Problem, mit dem Unternehmen auch in Zukunft konfrontiert sind. Um dem Fachkräftemangel nachhaltig zu begegnen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, müssen Unternehmen vermehrt in ihre Mitarbeitenden investieren und gezielte Um- und Weiterbildungsmassnahmen anbieten.»
Marcel Keller, Country President Adecco Gruppe Schweiz
Gesundheitspezialist:innen weiterhin an der Spitze
Wie bereits im Vorjahr stehen die Spezialist:innen in Gesundheitsberufen (z. B. Fachärzt:innen, Pflegefachkräfte oder Apotheker:innen) weiterhin an der Spitze des Fachkräftemangel-Rankings, auch wenn der Mangel in dieser Gruppe im Vergleich zum Vorjahr merklich zurückgegangen ist. Den 2. Platz nehmen neu die Bauführer:innen, Polier:innen und Produktionsleiter:innen (z. B. Bauleiter:innen, Malerpolier:innen, Maschinenbauleiter:innen) ein; an dritter Stelle folgen die Elektriker:innen und Elektroniker:innen (z. B. Elektromonteur:innen, Elektromechaniker oder Kundendiensttechniker:innen).
Die Berufsgruppe der Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen (z. B. SAP-Berater:innen, Softwareingenieur:innen oder ICT-Qualitätsmanager:innen), die letztes Jahr noch auf Platz 2 zu finden war, ist neu auf Platz 7. Auch bei den Ingenieurtechnischen und vergleichbaren Fachkräfte (z. B. Maschinentechniker:innen, Heizungsplaner:innen oder Mikrosystemtechniker:innen) hat sich der Mangel an Fachkräften spürbar entspannt, weshalb sie von Platz 3 auf Platz 4 gerutscht sind.
«Bereits seit dem letzten Jahr lässt sich bei den Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen eine zunehmende Entspannung des Fachkräftemangels beobachten. Ein Faktor, der diese Entspannung teilweise erklären kann, ist der Einsatz von KI in der Softwareentwicklung. Wie eine Studie von Bain & Company belegt, kann der strategische Einsatz von KI die Produktivität um bis zu 30 % steigern.»
Benjamin Déglon, Head of Business Department Consulting & Solutions Akkodis Switzerland
Untersucht man die Berufsgruppen mit dem grössten Fachkräfteüberangebot, zeigt sich, dass die Hilfsarbeitskräfte (z. B. Fensterreiniger:innen, Strassenmarkierer:innen, Möbelpacker:innen) am stärksten von einem Überangebot an Arbeitskräften betroffen sind und daher auf dem letzten Platz (Platz 32) landen. Wie im Vorjahr belegen Bürokräfte mit Kundenkontakt (z. B. Postbeamt:innen, Bankkassier:innen, Telefonberater:innen) Platz 31. Auch bei den Allgemeinen Büro- und Sekretariatskräfte und sonstigen Bürokräfte (z. B. Sachbearbeiter:innen, Personalsachbearbeiter:innen, Korrekturleser:innen) auf Platz 30 ist das Überangebot beträchtlich.
Breite Entspannung des Fachkräftemangels
Bei genauer Betrachtung der Entwicklungen des Fachkräftemangels zeigt sich, dass 28 von 32 Berufsgruppen in diesem Jahr eine Entspannung verzeichnen. Besonders stark betroffen sind IT-Fachkräfte, wie Entwickler:innen und Analytiker:innen von Software und IT-Anwendungen, Spezialist:innen für ICT, Datenbanken und Netzwerke (z. B. Datenbankspezialist:innen, Systemadministrator:innen oder Netzwerkspezialist:innen) und Informations- und Kommunikationstechniker:innen (z. B. Applikationsmanager, Webmaster oder Radio- und Fernsehtechniker:innen), bei denen die Zahl der Stellensuchenden besonders stark ansteigt und die Vakanzen deutlich abnehmen. Ebenfalls stark rückläufig ist der Fachkräftemangel Index bei den allgemeinen Büro- und Sekretariatskräften, den Bürokräften mit Kundenkontakt sowie bei Marketing- und Kommunikationsspezialist:innen, Verwaltungsspezialist:innen und Hochschulberufen im MINT-Bereich.
«IT-Berufe, Berufe in Administration, Verwaltung und Kommunikation sowie solche, die eher in der Forschung und Entwicklung eingesetzt werden, sind besonders stark von der konjunkturellen Abkühlung betroffen. Unsichere Zeiten, hohe Investitionskosten und abnehmende Margen können Unternehmen zur Zurückhaltung bei grösseren Ausgaben und Investitionen veranlassen. Davon betroffen sind oft IT-Projekte und Forschungsinvestitionen. Aber auch Umstrukturierungsmassnahmen im administrativen Bereich werden in wirtschaftlich schlechteren Zeiten häufig durchgeführt, um die Effizienz zu steigern und Kosten einzusparen»
James Peck, VP LHH Recruitment Solutions Schweiz
Eine moderat negative Indexentwicklung verzeichnen Gesundheits- und Finanzspezialist:innen, sowie industrienahe Berufsgruppen, Bürokräfte im Finanz-, Rechnungs- und Materialwesen und Führungskräfte. Die geringsten Rückgänge im Fachkräftemangel Index sind unter anderem bei Bauberufen, Dienstleistungsberufen wie Verkaufskräften und Gastroberufen, Lehrkräften, sowie Hilfskräften zu beobachten.
«Berufe in Branchen, die stärker auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind, wie das Gastgewerbe oder der Detailhandel, profitieren möglicherweise vom weiterhin robusten privaten Konsum. Dadurch fällt der Nachfragerückgang nach diesen Berufsgruppen trotz der wirtschaftlichen Abkühlung geringer aus.
Yanik Kipfer, Stellenmarkt-Monitor Schweiz
Drei von 32 Berufsgruppen verbleiben auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Dies betrifft die Berufsgruppen der Elektriker:innen und Elektroniker:innen, Betreuungsberufe (z. B. Kinderbetreuer:innen, Pflegehelfer:innen oder Spitexmitarbeiter:innen) sowie Fahrzeugführer:innen und Bediener:innen mobiler Anlagen (z. B. Lokomotivführer:innen, Belagsmaschinenführer:innen oder Busfahrer:innen). In diesen Berufsgruppen ist die Zahl der Stellensuchenden im Vergleich zum Vorjahr zwar gestiegen, jedoch haben auch die Vakanzen zugenommen.
«Während Elektriker:innen und Elektroniker:innen vermutlich von anhaltenden energetischen Sanierungen und Investitionen in die Gebäudetechnik profitieren, könnte der boomende Tourismus die Nachfrage nach Fahrzeugführer:innen gestützt haben. Betreuungsberufe hingegen sind oft hohen Belastungen und anspruchsvollen Arbeitsbedingungen ausgesetzt, was ihre Attraktivität mindert und es besonders schwierig macht, Arbeitskräfte langfristig zu halten.»
Martin Meyer, VP Adecco Operations Switzerland
Die Schutzkräfte, Sicherheitsbediensteten und weitere Berufe im Bereich personenbezogener Dienstleistungen (z. B. Securitaswächter:innen, Polizist:innen oder Reiseführer:innen) sind die einzige Berufsgruppe, in welcher der Fachkräftemangel Index leicht ansteigt.
«Im Vergleich zum Vorjahr fanden 2024 mehrere Grossveranstaltungen statt, wie die Friedenskonferenz für die Ukraine am Bürgenstock und die Rad- und Para-Cycling-WM in Zürich, aber auch internationale Events wie die Olympischen Sommerspiele und die Fussball-EM. Zudem erreichte der Tourismus im Sommer einen Rekordwert. Aufgrund der erhöhten Terrorgefahr wurden auch die Sicherheitsmassnahmen in der Schweiz verstärkt. Diese Faktoren könnten die leichte Verschärfung des Fachkräftemangels bei den Schutzkräfte, Sicherheitsbedienstete und weitere Berufe im Bereich personenbezogene Dienstleistungen erklären.»
Marcel Keller, Country President der Adecco Gruppe Schweiz
Sprachregionen: Stärkere Entspannung in der Deutschschweiz
Sowohl in der Deutschschweiz als auch in der lateinischen Schweiz zeigt sich ein deutlicher Rückgang des Fachkräftemangel Indexes. In der Deutschschweiz sinkt der Index um 19 Prozent, während der Rückgang in der lateinischen Schweiz mit 15 Prozent etwas moderater ausfällt. Beide Sprachregionen erreichen damit wieder ein ähnliches Niveau wie im Jahr 2022, welches jedoch in beiden Sprachregionen weiterhin über dem Wert des langfristigen Durchschnittes liegt.
Auffällig ist, dass in beiden Regionen die Zahl der Stellensuchenden deutlich stärker stieg, als die Zahl der offenen Stellen zurückging. In der Deutschschweiz wuchs die Zahl der Stellensuchenden um 14 Prozent, während die Vakanzen um 8 Prozent sanken. Ähnlich verlief die Entwicklung in der lateinischen Schweiz, wo die Zahl der Stellensuchenden um 11 Prozent zunahm, während die Zahl der offenen Stellen um 5 Prozent zurückging.
«Die Auswirkungen der konjunkturellen Abkühlung sind in der Deutschschweiz deutlicher spürbar als in der lateinischen Schweiz. Eine Vermutung ist, dass die Deutschschweiz aufgrund ihrer Grenznähe stärker von der schwächelnden deutschen Wirtschaft betroffen ist.»
Marcel Keller, Country President der Adecco Gruppe Schweiz
In Zusammenarbeit mit dem Stellenmarkt-Monitor Schweiz (SMM) am Soziologischen Institut der Universität Zürich veröffentlicht die Adecco Group Schweiz jährlich je eine umfassende und eine Kurz-Studie zum Fachkräftemangel in der Schweiz. Die wissenschaftlich fundierten Fachkräftemangel-Studien zeigen auf, in welchen Berufen die Zahl der Vakanzen im Vergleich zu den Stellensuchenden besonders gross und in welchen besonders klein ist. Zudem ermöglichen langjährige Zeitvergleiche das Erkennen von Verschärfungen und Abschwächungen im Fachkräftemangel pro Beruf.